Wissenschaftler der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der UPD Bern um Prof. Dr. med. Sebastian Walther berichteten kürzlich einen besonders eindrücklichen Fall im Fachmagazin Frontiers in Psychiatry. Eine Frau verletzte sich selbst mit Messerstichen in den Brustkorb, weil ihr das von göttlichen Stimmen befohlen wurde. In ihrer Biographie gab es immer wieder Phasen starker religiöser Gefühle, die sich bis zum Wahn steigerten und ihr Handeln bestimmten. Allerdings klangen diese Episoden immer wieder ab.
Obwohl religiöse Themen bei psychotischen Erkrankungen nicht ungewöhnlich sind, war der wellenförmige Verlauf verdächtig. Während der routinemässigen Untersuchung des Gehirns im Magnetresonanztomographen (MRT) fand sich ein mittelgrosser, langsam und unregelmässig wachsender Tumor im Thalamus und den angrenzenden Faserverbindungen. Dort befinden sich wichtige Teile eines Hirnnetzwerks, das für akustische Wahrnehmungen und den Realitätsabgleich wichtig ist. Bei Patienten mit Schizophrenie, die an Halluzinationen und Wahn leiden, arbeitet dieses Netzwerk nicht korrekt. Die Wissenschaftler nehmen daher an, dass der Tumor durch langsames Wachstum dieses Netzwerk empfindlich gestört hat, so dass episodenhaft genau diese Symptome aufgetreten sind. Über die Frage, wo im Gehirn die Krankheitszeichen der Schizophrenie ausgelöst werden, gibt es weltweit lebhafte Debatten unter den Forschern. Dieser Fall illustriert beispielhaft, dass Symptome der Schizophrenie nicht einfach überall im Gehirn auftreten, sondern durch ganz spezifische Störungen in einzelnen Netzwerken hervorgerufen werden.
Die Berner Forscher um Prof. Dr. med. Sebastian Walther haben dafür seit Jahren Belege aus MRT Studien an Schizophreniepatienten publiziert. Der aktuelle Fall erfährt aber neben der wissenschaftlichen Debatte um die Schizophrenie noch gesteigerte Aufmerksamkeit aufgrund des religiösen Bezugs. Anfang Dezember widmete sich ein Onlinebeitrag der renommierten Website Livescience.com des Falles.