Studien der Rehabilitationsforschung der UPD belegen, dass das Leben in der eigenen Wohnung für psychisch Kranke keine Nachteile gegenüber der Unterbringung in Wohnheimen hat, aber von den betroffenen Personen deutlich bevorzugt wird.
Viele Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen können ihren Alltag ohne Unterstützung nicht mehr bewältigen. In der Regel werden solche Menschen in Heimen oder betreuten Wohn-gemeinschaften versorgt. Tradionellerweise durchlaufen sie eine therapeutische Kette und lernen hierdurch, ihren Alltag wieder in den Griff zu bekommen.
Zahlreiche Studien haben jedoch gezeigt, dass dieses Prinzip der Stufenleiter nicht funktioniert. Nur ein sehr kleiner Teil dieser Menschen erreicht tatsächlich das Ziel einer eigenen Wohnung. Oft wird ihnen das selbstständige Wohnen nicht zugetraut. Fachpersonen befürchten Risiken wie Einsamkeit, Suchtmittelkonsum oder hygienische Probleme und empfehlen daher die Unterstützung in einer betreuten Wohnform.
Dass eine solche Empfehlung nicht immer für die betroffene Person hilfreich ist, zeigt eine aktuelle Untersuchung aus der Rehabilitationsforschung der UPD. Dafür wurden alle international verfügbaren Studien ausgewertet, welche das unabhängige, aber von Fachpersonen unterstützte Wohnen in eigener Wohnung mit dem Wohnen in betreuten Wohneinrichtungen verglichen haben. «Betreute Wohneinrichtungen haben keine klaren Vorteile gegenüber dem unabhängigen Wohnen», fasst Studienleiter Dirk Richter die Ergebnisse zusammen. Was heisst das nun für den Fall, dass z.B. nach einem Austritt aus der Klinik die passende Wohnform gesucht werden muss? Gemäss dem Mitautor der Studie Holger Hoffmann, sollten die Menschen selbst entscheiden. «In der Regel wissen die Betroffenen sehr wohl, was ihnen gut tut und wie sie sich ihr weiteres Leben vorstellen.»
Zur genaueren Betrachtung wurden in einer weiteren Studie von Richter und Hoffmann sämtliche Publikationen ausgewertet, die davon berichteten, wie Menschen mit psychischen Erkrankungen leben wollen. Wenig überraschend votierten 84 Prozent der befragten Personen für das unab-hängige Wohnen und damit deutlich gegen das Leben in einer Institution. Diese Präferenz sollte bei sozialpolitischen, aber auch bei individuellen Entscheiden berücksichtigt werden. Die UPD bieten bereits seit fünf Jahren das Angebot Wohn-Coaching an, das ein selbstbestimmtes Leben in der eigenen Wohnung ermöglicht. Wohn-Coaching-Leiter Daniel Schärer berichtet von Herrn B., dem nach fast 20jähriger Heimkarriere und nach mehr als 20 Hospitalisationen eine Langzeitunter-bringung in einer Einrichtung drohte. Gegen das Votum vieler Fachpersonen erkämpfte sich Herr B. das Recht, durch das Wohn-Coaching unterstützt zu werden. Seither ist es in den letzten fünf Jahren lediglich zu drei kurzfristigen Klinikaufenthalten gekommen. «Wir ermöglichen Herrn B. eine grösstmögliche Autonomie auch angesichts vieler Probleme und Einschränkungen und kommen ihm so in seiner gewünschten Selbstbestimmung entgegen», beschreibt Daniel Schärer die gegenwärtige Situation.