Ende März 2018 fanden in der UPD der von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) zusammen mit der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der UPD organisierte EKT-Workshop und das Treffen des DGPPN-Referats EKT statt.
Zum ersten Mal kam diese Veranstaltung nach Bern. Der Workshop befasste sich mit der Behandlungsmethode Elektrokrampftherapie (EKT) genannt. Neben geschichtlichen Referaten ging es um den Einsatz dieser hochwirksamen Behandlungsmethode bei verschiedenen Diagnosen, um praktische Aspekte der Anwendung wie Strom, Spannung, Narkotika und Muskelentspannungsmedikamente. Aber auch um die Vorurteile, welche nach wie vor in der Gesellschaft vorhanden sind. Nicht nur Laien, auch Fachleute haben noch immer die Bilder des Films „Einer flog über das Kuckucksnest“ im Kopf. Dabei wird vergessen, dass der heutige Einsatz von EKT immer unter Narkose und Medikamenten zur Muskelentspannung erfolgt.
Die beiden Organisatoren, Prof. Dr. med. Sebastian Walther (UPD) und Prof. Dr. med. Michael Grözinger aus Aachen, bemerkten einführend, dass vor rund 15 Jah-ren die EKT Methode in der Deutschschweiz langsam positiver bewertet worden sei. In anderen deutschsprachigen Ländern, Belgien, Grossbritannien und den USA gehört die EKT zu den etablierten Behandlungsmethoden und wird viel weniger stigmatisiert. Aus ihren EKT Programmen berichteten PD Dr. Annette Brühl (PUK Zürich) und Dr. med. Agnes Meyer (UPD).
Während nach der Jahrhundertwende an diversen psychiatrischen Kliniken in Europa Insulin- und andere medikamentös ausgelöste Schocktherapien praktiziert wurden, entwickelten die beiden Psychiatrie-Professoren Lucio Bini und Ugo Cerletti in Rom die viel nebenwirkungsärmere Elektrokrampftherapie, welche 1938 zum ersten Mal an Menschen angewandt wurde. Ein Jahr später fand die erste Behandlung ausserhalb von Italien statt. Max Müller behandelte in Münsingen Patientinnen und Patienten mit Depressionen, Manien und Schizophrenie mit EKT. Trotz allem übte er aber eine gewisse Zurückhaltung, weil er befürchtete: «damit kann das Ansehen der gesamten psychiatrischen Heilfähigkeit Schaden erleiden». Wie Dr. med. Agnes Meyer ausführte, praktizierte auch Prof. Jakob Klaesi 1941 in der «Irren-, Heil- und Pflegeanstalt Waldau» die neue Methode. Während in der UPD die EKT nie ganz eingestellt wurde und seit dem Jahr 2000 auch wieder deutlich häufiger angewandt wird, wurde die EKT-Behandlung im Psychiatriezentrum Münsingen erst Ende 2017 wieder eingeführt.
Heute wird die EKT als Therapie der ersten Wahl bei den lebensbedrohlichen perni-ziösen Katatonien angewandt und gehört in die Behandlungskette bei Depressionen, bei denen die gängige antidepressive Medikation nicht ausreichend hilft. Selbst bei behandlungsresistenten Depressionen führt die EKT in über 70 Prozent der Fälle zur Remission, d.h. die Symptome gehen zurück auf das Niveau vor der Erkrankung.
Die UPD führen eine Spezialsprechstunde für EKT, in der abgeklärt wird, wann Patientinnen und Patienten mit therapieresistenten Depressionen, Manien und chronischen Schizophrenien mit dieser Methode behandelt werden. Da sie, im Gegensatz zu einigen Medikamenten, sehr nebenwirkungsarm ist, sollte EKT eigentlich schon früher im Krankheitsverlauf angeboten werden können. Muss jemand über Monate mit diversen Medikamenten und den entsprechenden Nebenwirkungen behandelt werden, bevor EKT möglich sein soll? Mit der Stigmatisierung der Methode und den Möglichkeiten diese zu bekämpfen, befasst sich Frau Dr. Methfessel aus Göttingen. Sie plant zusammen mit ihren Kolleginnen und Kollegen eine Studie dazu. Dr. med. Thorsten Folsche, ebenfalls aus Göttingen, hat 2017 untersucht, ob die eigene Haltung zu EKT die Wirksamkeit und die Nebenwirkungen beeinflusst. Er fand heraus, dass die Erwartung der Wirksamkeit und Verträglichkeit keinen signifikanten Einfluss auf die Effektivität und die tatsächliche Verträglichkeit der Behandlung hat. Fazit: EKT ist eine effektive, nebenwirkungsarme, aber noch immer stigmatisierte Therapiemethode, die weiterentwickelt und beforscht wird.
Die beiden Workshoptage erhielten eine gute Resonanz von den rund 70 Teilneh-menden aus Deutschland, Österreich, Italien und der Schweiz. Die Referate mit Fallvorstellungen und anschliessend regen Diskussionen wurden genutzt, um sich auszutauschen, voneinander zu lernen und die EKT für die Anwendung bei Patientinnen und Patienten zu verbessern. Am Morgen vor den Workshops wohnte das Team um Dr. Christiane Först aus Bad Zwischenahn EKT-Behandlungen der UPD bei. Sie betreiben das „Peer Review Project“, in welchem Behandelnde andere Behandelnde bei der Anwendung von EKT beobachten und bewerten. Es freut uns sehr, dass dem EKT-Team der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der UPD dabei ein gutes Zeugnis ausgestellt worden ist.