Im März 2018 wurde der Forschungspreis der Schweizerischen Hirnliga 2018 an Prof. Dr. med. Sebastian Walther und Dr. med. Katharina Stegmayer von der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der UPD vergeben. Die Forscher konnten erstmals zeigen, dass ungefähr die Hälfte aller Schizophrenie-Patienten an einer Störung der Gestik leidet. Ihre Untersuchungen liefern wichtige Erkenntnisse zum Verständnis des entsprechenden Netzwerkes im Gehirn.
Der renommierte Forschungspreis der Schweizerischen Hirnliga, der alle zwei Jahre verliehen wird, geht zum ersten Mal überhaupt an die Psychiatrie. In seiner Laudatio hat Prof. Dr. med. Christian Hess, Präsident der Schweizerischen Hirnliga, die ausgezeichnete Forschungsarbeit der Preisträger gewürdigt. Der Preis ist mit CHF 20'000 dotiert, welche zur weiteren Erforschung der nonverbalen Kommunikation bei Patienten eingesetzt werden.
Viele Schizophrenie-Patienten haben ein Problem mit der Kommunikation und der sozialen Interaktion. Davon betroffen ist auch die nonverbale Kommunikation, zum Beispiel die Mimik, die emotionelle Sprachmelodie oder die unwillkürliche Begleitgestik der Arme und Hände beim
Sprechen. Ausgehend von dieser Erkenntnis untersuchte die Forschungsgruppe eine weitere Komponente der nonverbalen Kommunikation: die Gestik. Es zeigte sich, dass ungefähr die Hälfte aller Schizophrenie-Patienten Störungen der Gestik aufweisen.
Dabei konnten die Forscher erstmals nachweisen, dass die Defizite sowohl die Wahrnehmung
und Deutung der Gesten, wie auch deren Ausübung betreffen und dass diese Komponenten
untereinander korrelieren, also kausal zusammenhängen. Das heisst: Der Patient, der
Gesten von Mitmenschen nicht richtig interpretieren kann, kann sie selber auch nicht richtig
ausführen. Oder umgekehrt: Wer Mühe hat beim Gestikulieren, der hat auch Mühe bei der Interpretation von Gesten. Die Erkenntnisse sind nicht nur für die Schizophrenie-Forschung von
grosser Bedeutung, denn auch bei anderen neurologischen Erkrankungen gibt es Störungen
der Gestik, die mit dem Gestennetzwerk zusammenhängen.
Weiter fand das Forschungsteam heraus, dass anhand von Gestik-Tests Prognosen über den
Krankheitsverlauf der Schizophrenie gemacht werden können. Wer im Test viele Fehler macht, hat später ein deutlich schlechteres soziales Funktionsniveau. Das heisst: weniger soziale Beziehungen, Schwierigkeiten bei der Arbeit bzw. keine Arbeitsstelle, wenig oder gar keine Hobbies. Zudem haben die Forscher erstmals bei Schizophrenie das für die Gestik verantwortliche Netzwerk im Gehirn mittels Magnetresonanz-Tomographie anatomisch ausgemessen. Beim Gestikulieren arbeiten verschiedene Hirnregionen (u.a. für die Handlungsmotorik, Sprachverarbeitung, Sprachproduktion, Bewegungsplanung) zusammen. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass bei Schizophrenie-Patienten mit Störungen in der Gestenproduktion diese Zusammenarbeit nicht richtig funktioniert. Bereits bei der Planung von Gesten macht das Netzwerk erste Fehler. Die Betroffenen haben ein vermindertes Hirnvolumen in einer zentralen Region der Handlungsmotorik. Läsionen in dieser Hirnregion führen auch bei anderen neurologischen Erkrankungen zur Störung der Handlungsmotorik. So sind die Erkenntnisse nicht nur für die Schizophrenie-Forschung von grosser Bedeutung, sondern auch für die Erforschung weiterer Hirnerkrankungen.
Für ihre bemerkenswerten Studien wurde die Forschungsgruppe mit dem Forschungspreis in der Höhe von 20'000 Franken ausgezeichnet. Ihre Erkenntnisse liefern einen wichtigen Beitrag zum Verständnis eines alltagsrelevanten Problems und bergen grosses Potential für therapeutische Massnahmen. Besonders aussichtsreich sind spezifische Gestentrainings sowie Verfahren der zerebralen Magnetstimulation.
Die Forschungsgruppen von Dr. Katharina Stegmayer und Prof. Sebastian Walther können ab sofort neue innovative Studien zum Verständnis von Psychosen durchführen.
Ihre Anträge hatten sich in kompetitiven Verfahren durchgesetzt. Durch Personenförderung der Frutiger-Stiftung und des Schweizerischen Nationalfonds kann Frau Dr. Katharina Stegmayer die Grundlagen paranoiden Erlebens in einem 4-Jahres-Projekt untersuchen. Der Schweizerische Nationalfonds finanziert zudem im Rahmen der Projektförderung eine 4-Jahres-Studie von Prof. Dr. med. Sebastian Walther, bei der die psychomotorische Verlangsamung von Patientinnen mit Psychosen mittels transkranieller Magnetstimulation behandelt werden soll. Insgesamt können mit diesen Drittmitteln für diese beiden Projekte vier neue Mitarbeitende eingestellt werden.
Wir gratulieren Prof. Walther und Frau Dr. Stegmayer zum Einwerben von insgesamt 1,2 Millionen Franken Drittmitteln und wünschen Ihnen zahlreiche Forschungserfolge in ihren jeweiligen Projekten