Die Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (KJP) der UPD Bern baut die ambulante Krisenintervention für hilfesuchende Kinder- und Jugendliche an den Standorten Bern, Burgdorf, Biel und Spiez aus. Der Kanton bietet finanzielle Unterstützung.
Die Inanspruchnahme psychiatrischer Hilfsangebote durch Kinder und Jugendliche hat während der Corona-Pandemie signifikant zugenommen. Zusätzlich zu dem seit Jahren anhaltenden Trend einer steigenden Nachfrage sah sich die KJP im Jahr 2020 mit einer Zunahme von 34% im ambulanten und 48% im stationären Bereich im Vergleich mit den Mittelwerten der drei Vorjahre konfrontiert. Im Notfallzentrum der Klinik kam es in den vergangenen Monaten immer wieder zu Situationen einer Belegung von 200% der eigentlichen Kapazität. Die Rückführung der erhöhten Nachfrage auf die Pandemie als Ursache wird gestützt durch die kürzlich publizierte Corona Stress Study der Universität Basel. Diese zeigt insbesondere bei Personen im Alter von 14-24 Jahren eine massive Zunahme von schweren depressiven Symptomen in diesem Zeitraum auf.
Aktuell kann der Bedarf an kinder- und jugendpsychiatrischen Behandlungen, vor allem bei akute Krisen mit komplexer Symptomatik, in der gesamten Schweiz kaum gedeckt werden. Dies gilt auch für den Kanton Bern. Um dieser angespannten Situation gerecht zu werden, hat die KJP im Auftrag der kantonalen Gesundheits- und Sozial- und Integrationsdirektion (GSI) den raschen Ausbau der ambulanten Kriseninterventionen lanciert. Dies unter Berücksichtigung des Grundsatzes «ambulant vor stationär». Innerhalb kurzer Zeit wurde ein therapeutisches Konzept erarbeitet, das den Fokus auf eine niederschwellige und rasche Behandlung von schwer und komplex erkrankten Kindern und Jugendlichen legt. Dies mit dem Ziel der Risikominimierung, Stabilisierung und Zielklärung und unter Anwendung einer Ressourcen- und Skills-basierten Intervention durch ein interdisziplinäres Team.
Die KJP plant den Ausbau von insgesamt vier Teams, bestehend aus Ärzt*innen, Psycholog*innen und Sozialpädagog*innen, die an die bestehenden Ambulatorien der Standorte Bern, Burgdorf, Biel und Spiez angegliedert werden. Insgesamt sind rund 15-20 Stellen vorgesehen, mit denen jährlich bis zu 300 Patientinnen und Patienten behandelt werden könnten. Da die ambulante und aufsuchende Krisenintervention aufgrund der notwendigen Vorhalteleistungen und Komplexität der Fälle nicht kostendeckend zu betreiben ist, unterstützt der Kanton Bern das Vorhaben mit einer Sonderfinanzierung.
Zielgruppe der ambulanten Krisenintervention sind Kinder und Jugendliche mit allen Arten von schweren und akuten psychischen Symptomen. Diese können Selbstverletzung und Suizidalität, psychotische oder depressive Symptome, schwere Ängste oder Zwänge, impulsive und aggressive Verhaltensstörungen etc. umfassen. Die ambulante Krisenintervention versteht sich als «Blended Treatment», das heisst sie umfasst ambulante und aufsuchende Interventionen sowie die Anwendung von Telemedizin. In der Regel sind pro Patient drei Konsultationen pro Woche vorgesehen, über einen Zeitraum von bis zu 12 Wochen. Das Ziel ist die Überführung in ein «Regelsetting» der Klinik (ambulant, tagesklinisch oder stationär) oder eine Überweisung an einen niedergelassenen Arzt oder Therapeuten.